Wie kann ich meine Bindungsangst loswerden?

Wie sich Bindungsängste in Beziehungen typischerweise äußern und wie kann das Problem bewältigen?

Bindungsangst ist eine häufige psychische Herausforderung, die viele Menschen daran hindert, glückliche und erfüllende Beziehungen zu führen. Wenn Sie sich oft unsicher, ängstlich oder abweisend fühlen, wenn es um Liebe geht, könnte es sein, dass Sie unter Bindungsangst leiden. In diesem Artikel erfahren Sie, was Bindungsangst ist, wie sie entsteht und wie Sie sie überwinden können. Lesen Sie weiter und entdecken Sie, wie Sie Ihre Bindungsangst loswerden und sich für eine gesunde und harmonische Partnerschaft öffnen können.

Übe dich in Empathie!

Eine paradoxe Nebenwirkung von Bindungsangst ist, dass Bindungsängstliche - zumindest, wenn sie sich gerade im Fluchtmodus befinden - sich wenig in ihren Partner einfühlen können und dessen Bedürfnisse kaum wahrnehmen. Dies ist insofern paradox, als Bindungsängstliche ja eigentlich zu viele Antennen haben und sich schlecht von den Wünschen ihrer Partner abgrenzen können. Aber genau diese Veranlagung führt sie in ihre - teilweise sehr krasse - Verweigerungshaltung. Aus lauter Angst, sich selbst zu verlieren, kämpfen sie trotzig und bisweilen auch brutal um ihre vermeintliche Freiheit. Wenn du jedoch völlig mit deiner Verteidigung beschäftigt bist, kannst du nicht im selben Augenblick Mitgefühl für deinen Feind, also deinen Partner, aufbringen. Dieser Empathie Mangel, der für Bindungsängstliche sehr typisch ist, hängt also mit deiner Wahrnehmung zusammen, dass du der Schwächere, das Opfer, in der Beziehung bist. Wer sich jedoch als Opfer wahrnimmt, hat das Recht, sich zu wehren.

Dieses Recht hast du auch, aber du gebrauchst es auf die falsche Weise. Wie ich im obigen Abschnitt geschrieben habe, kann ich dir nur raten: Rede mit deinem Partner, bringe eigene Vorschläge ein und setze dich, wenn es nötig ist, auch ohne die Zustimmung deines Partners mal durch. Das tust du sowieso schon, aber gerade, weil du dich im Kleinen nicht verteidigst, tust du es dann im Großen, indem du flüchtest und/oder die Beziehung beendest.

Es ist also wichtig, dass du deine kommunikativen Fähigkeiten verbesserst. Und hierzu gehört, außer dich selbst zu behaupten, auch, dass du die Bedürfnisse deines Partners verstehst. Dies kannst du aber nur, wenn du mit deinem Partner innerlich auf Augenhöhe kommst und dich nicht als sein Opfer wahrnimmst. Also höre bitte auch zu, wie dein Partner die Sache sieht, und versuche dich in seine Situation einzufühlen. Kurioserweise ist es nämlich häufig so, dass Bindungsängstliche für sich selbst ein hohes Maß an Respekt von ihrem Partner erwarten und dabei häufig nicht bemerken, wie wenig Respekt sie ihrerseits ihrem Partner entgegenbringen. Sie sind so damit beschäftigt, ihre Grenzen zu verteidigen, dass sie die Gefühle ihres Partners oft nicht wahrnehmen oder dass sie ihnen egal sind. Deswegen werde ich nicht müde zu betonen, dass es so wichtig ist, mit dem Partner auf Augenhöhe zu kommen, um sich auf eine gesunde Weise stark zu fühlen und somit auch ein Stück seiner Egozentrik und Verteidigungshaltung abzulegen.

Ich, Du und Wir! So gelingt Kommunikation

Gespräche führen off nicht zu den gewünschten Ergebnissen, weil das Reflexionsniveau der Gesprächspartner zu unterschiedlich ist. Dieser Höhenunterschied führt zu einer unterschiedlichen Wahrnehmung der Realität. Stell dir zwei nebeneinanderstehende Wolkenkratzer in New York vor. Der eine Mensch sitzt im vierten Stock und guckt auf die gegenüberliegende Cola-Reklame. Der andere sitzt im 50. Stock und überblickt die Stadt. Nun sollen diese sich auf eine gemeinsame Realität einigen. Der die Stadt überblickt, wird große Mühe haben, dem anderen zu erklären, dass die Welt da draußen mehr als eine Cola-Reklame ist. Sie werden sich nur einigen können, wenn beiden klar ist, in welchem Stockwerk sie sitzen, wenn sie also den Standort des anderen erkennen können. Zudem müssen sie in der Lage sein, die Gesamtsituation von außen zu betrachten.

Genauso verhält es sich mit zwei Menschen, die sich jeweils mit ihrem inneren Kind identifizieren - die sich also nicht von außen betrachten können - und fest daran glauben, ihre Realität sei die einzig wahre. Deswegen ist es so wichtig, sein eigenes Muster und die damit einhergehenden Wahrnehmungsverzerrungen zu erkennen. Nur dann kann man auch beginnen, den Blick von außen einzunehmen - die Voraussetzung für einen echten Austausch auf Augenhöhe.

Für eine gelingende Kommunikation sind drei Positionen notwendig:

1. Meine Position: Wie sehe ich die Sache, was fühle ich, was will ich?
2. Deine Position: Wie siehst du die Sache, was fühlst du, was willst du?
3. Außenposition: Was veranstalten wir da miteinander, wohin wollen wir?

Zu 1) Überlege dir, was du willst, und welche Argumente dafürsprechen. Argumente sind die Brücke zum Verständnis. Die Argumente dürfen sich ruhig auf dein Wohlbefinden und deine Bindungsangst beziehen. So kannst du deinem Partner beispielsweise vorschlagen, dass Ihr Euch nicht jeden Tag, sondern vier Mal in der Woche trefft, weil du den Freiraum benötigst, um dich selbst besser zu spüren.

Zu 2) Versetze dich in dein Gegenüber: Spüre, wie es ihm mit der Situation geht, und verstehe seine Argumente. Dies kannst du bereits im Vorfeld tun, um dich auf das Gespräch vorzubereiten. Aber es ist auch ganz wichtig, dass du dich während des Gesprächs in dein Gegenüber versetzt. Trage dein Anliegen vor und dann höre genau hin, was dein Partner zu sagen hat. Es ist gut möglich, dass er ganz anders argumentiert, als du es erwartet hast.

Nimm ihn beim Wort und arbeite nicht mit Unterstellungen. Wenn er beispielsweise sagt, er könne damit leben, wenn Ihr Euch viermal in der Woche sehen würdet, dann glaube ihm das und unterstelle ihm nicht, er würde dir das jetzt nur zugestehen, damit er dich zu einem späteren Zeitpunkt zu häufigeren Treffen manipulieren kann. Halte dich also mit Interpretationen zurück. Im Zweifelsfall leg dein Misstrauen offen und lass deinen Partner dazu Stellung beziehen. Durch deine inneren Glaubenssätze bist du stark gefährdet, die Aussagen und Handlungen deines Partners fehlzuinterpretieren. Deswegen versuche dich an das Gesagte, stehe zu deiner Verletzlichkeit!

Wort zu halten und bitte auch deinen Partner, genau das zu sagen, was er meint, und nicht durch die Blume zu reden.

Zu 3) Betrachte dich und deinen Partner von außen. Worum geht es Euch beiden? Welche Dramaturgie weist Eure Beziehung, Euer Gespräch auf? Was ist die Dynamik? Was würdest du als Regisseur verändern? Wie würdest du den beiden Protagonisten helfen?

Grundsätzlich: Betrachte dich und deinen Partner mit Wohlwollen. Wohlwollen ist die Essenz jeglicher Verbindung. Mit Wohlwollen kannst du dir und deinem Partner aber nur begegnen, wenn du dir eingestehst, dass du verletzlich bist.

Viele Menschen denken, sie müssten unverwundbar sein, bevor sie sich trauen, sie selbst zu sein. Während sie noch daran arbeiten, ihre Grenzen deutlicher zu zeigen, möglichst perfekt und kugelsicher zu sein, verpassen sie viele Gelegenheiten und Beziehungen. Der einzige Weg zu mehr Selbstvertrauen ist, zu seiner Verletzlichkeit zu stehen und die Grenzen zu öffnen. Wie ich oben geschrieben habe, ist es wichtig, auch Gefühle wie Angst, Scham, Trauer und Enttäuschung zuzulassen, wenn du zu dir selbst stehen willst. Das Problem ist, dass du Verletzlichkeit mit Schwäche gleichsetzt. Du willst diese Gefühle nicht haben. Sie belasten dich und sie sind dir peinlich. Und gerade, weil du einen labilen Selbstwert hast, hast du wenig Vertrauen in andere Menschen. Du meinst, die Welt da draußen sei böse, da herrschten der Dschungel und Nahkampf. Deswegen gehst du nur mit deiner Tarnkappe aus dem Haus. Darunter atmet es sich zwar schlecht, aber wenigstens bist du vor Angriffen geschützt. Wenn du dich also dazu entschließt, zu dir und deinen Gefühlen zu stehen, dann musst du dir eingestehen, dass du verletzlich bist, und das kostet sehr viel Mut. Es ist also genau das Gegenteil von Schwäche. In Bezug auf Liebe und Partnerschaft bedeutet dies, dich deiner Angst zu stellen, dass dein Partner dich zurückweisen könnte. Dich deiner Angst zu stellen, dass du dich mit deinen Bedürfnissen blamierst. Dich deiner Angst zu stellen, dass du dich für deine Fehler ganz furchtbar schämst und abgelehnt wirst. Dich deiner Angst zu stellen, dass dein Partner dich betrügen könnte. Dich deiner Angst zu stellen, dass du eigentlich keinen großen Einfluss darauf hast, ob du geliebt wirst.

Eigentlich sehnt sich jeder danach, so geliebt zu werden, wie er ist. Aber die meisten trauen sich nicht, sich zu zeigen, wie sie sind. Sie meinen, sie müssten Teile ihres Wesens vor ihrem Partner verstecken, um die Verbindung zu halten. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Authentizität ist die Voraussetzung für Verbindung. Wenn ich nämlich einen Teil von mir verstecke, dann ist die Verbindung zu meinem Partner entsprechend nur partiell.

Die Frage lautet also nicht: „Wie kann ich mich am besten schützen?“, sondern: „Was ist sinnvoll?“ Es gibt höhere Werte als den Selbstschutz. Das ständige Kreisen um sich selbst und seine Ängste vor Verletzung macht egozentrisch und unempathisch.