Lüge und Mythos - Technik in der Sexualität:
»Weißt du, was man später am meisten bereut – es nicht versucht zu haben.«
(Zitat aus dem Film »Die Farbe des Horizonts«)
Wenn Sexualität und Liebe verwechselt werden
„15 Praktiken für eine erfüllte Liebe.“ Dieser Titel könnte einem Buch in einer gut sortierten Buchhandlung oder einem Artikel aus der Regenbogenpresse entstammen. Schon auf dem Buchumschlag wird suggeriert, dass spezielle sexuelle Techniken das Empfinden tiefer Liebe maßgeblich verstärken könnten. Wer es also schafft, seinen Partner besonders intensiv sexuell zu befriedigen, soll demnach wertvolle Pluspunkte auf seinem „Liebeskonto“ sammeln können. So einfach scheint es zu sein, und dabei würden mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Doch ist es so simpel? Sie ahnen es bereits – natürlich nicht.
Sexualität als eigenes Feld betrachten
Zahlreiche Sexualforscher und Therapeuten beschäftigen sich intensiv mit der Erforschung möglichst befriedigender sexueller Praktiken und Stellungen. Grundsätzlich ist daran nichts auszusetzen, denn Sexualität verdient Aufmerksamkeit und Pflege. Doch wer das vorangegangene Kapitel aufmerksam gelesen hat, erkennt schnell, dass hier oft etwas miteinander vermischt wird, dass meiner Meinung nach unbedingt getrennt betrachtet werden muss. Nach meiner Überzeugung ist selbst die ausgefeilteste und angenehmste sexuelle Praktik nicht dazu in der Lage, das Gefühl der Liebe zwischen zwei Menschen zu vertiefen oder gar zu erzeugen. Deshalb empfinde ich solche Buchtitel als irreführend und störend.
Mythos sexuelle Leistungsfähigkeit
Viele Männer neigen dazu – zumindest in jüngeren Jahren – ihr sexuelles Können vor Freunden zur Schau zu stellen oder damit zu prahlen. Dieses Verhalten scheint tief in der menschlichen Genetik oder zumindest in der gesellschaftlichen Prägung verwurzelt zu sein. Dahinter steht oft die Annahme, ein Mann könne durch besonders geschickte oder intensive sexuelle Praktiken eine Frau an sich binden oder gar von sich abhängig machen. Aus meiner Perspektive handelt es sich hierbei jedoch um einen Irrglauben.
Hörigkeit entsteht nicht durch Sexualität
Eine echte Abhängigkeit, auch Hörigkeit genannt, entsteht nicht durch sexuelle Techniken, sondern vielmehr durch die Bereitschaft eines Partners, sich vollständig der Autorität des anderen unterzuordnen. Hörigkeit basiert auf einem unbedingten Bindungswillen an eine bestimmte Person und deren Persönlichkeit. Leider sind solche abhängigen Beziehungen häufig von Leid, Schmerz, Kummer und Angst geprägt. Dies kann und darf weder Ziel einer erfüllenden Liebe, noch Ziel einer gesunden Sexualität sein. Sicherlich kann sich ein Mann zunächst durch die scheinbare Macht über seine Partnerin geschmeichelt fühlen, doch schnell wird eine solche Abhängigkeit belastend und lästig. Es steht also fest: Eine Beziehung auf Basis von Abhängigkeit ist weder erstrebenswert noch nachhaltig erfüllend, und besondere sexuelle Techniken sind keinesfalls ein geeignetes Mittel, um eine solche Abhängigkeit hervorzurufen.
Liebe braucht keine Anleitungen
Die Erwartung, dass spezielle sexuelle Techniken dazu beitragen könnten, Liebe entstehen zu lassen oder dauerhaft zu bewahren, ist weitverbreitet – aber falsch. Liebe entsteht aus sich selbst heraus. Wenn zwei Menschen sich lieben, entwickelt sich eine erfüllende Sexualität ganz natürlich. Dazu sind weder Bücher mit detaillierten Anleitungen nötig noch ein besonders geschulter Verstand, der genaue Regeln befolgt. Liebe passiert spontan, ebenso wie Zärtlichkeiten, Berührungen und Küsse. Es existiert keine richtige oder falsche Methode, sondern einzig die Empfehlung, das zuzulassen, was sich für beide Partner in diesem Moment richtig und gut anfühlt.
Spontanität als Schlüssel erfüllender Sexualität
Schalten Sie Ihren Verstand zu sehr ein, halten Sie sich zu strikt an Regeln oder Techniken, droht die Gefahr, dass Ihre Sexualität zur reinen Routine wird. Stellen Sie sich vor, Sie geben einem Kind einen Stift und Papier – lassen Sie es frei zeichnen, statt ihm genau vorzuschreiben, welche Motive es malen soll. Genauso verhält es sich auch mit der Sexualität zwischen Liebenden. Sich fallen zu lassen, bedeutet, nicht ständig planen oder kontrollieren zu wollen. Wer Liebe nach striktem Plan lebt, ähnelt jemandem, der seinen entspannten Tag am Strand minutiös durchorganisiert, bis zum exakten Zeitpunkt, wann welcher Stein aufgehoben, getrunken oder geschwommen wird. Wie erholsam wäre solch ein Urlaub für Sie? Echte, erfüllende Sexualität lebt von Spontanität – bewahren Sie sich diesen kostbaren Freiraum unbedingt.
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