Betty – kontrollierte sexuelle Freiheit

Fachpraxis für systemische Paarberatung und systemische Sexualberatung

Betty ist vierundvierzig Jahre alt, geschieden und entdeckte vor acht Jahren eine sexuelle Neigung. Sie führt eine distanzierte Beziehung auf der Basis kontrollierter sexueller Freiheit. Ihre ersten sexuellen Erfahrungen machte sie mit einem wesentlich älteren Mann. Sie hatte wechselnde Beziehungen, nichts Festes, entdeckte sich und ihre Leidenschaft. Meistens war sie der dominante Part. Einen dieser Männer heiratete sie und bekam mit fünfundzwanzig Jahren eine Tochter. Die Ehe zerbrach nach acht Jahren. Die nächste Beziehung hielt nur sechs Jahre. Stets folgten die Beziehungen demselben Schema: Irgendwann wurde es langweilig. Der sexuelle Reiz ging verloren. Und dann kam der Tag, an dem Betty plötzlich bewusst wurde, dass Männer sie nicht mehr befriedigen können. Heute lebt Betty bisexuell. Sie hat immer nur eine Beziehung mit einem Partner, fährt nie zweigleisig. Es ist nicht das Geschlecht, sondern der Mensch, der für sie wichtig ist. Über eine Freundin kam sie mit SM-Kreisen in Kontakt. Sie wechselte zwischen dem aktiven und dem passiven Part, probierte sich aus. Sie liebt die Freiheit, die Offenheit und die Ehrlichkeit dieser Szene. Alles kann sein, nichts muss sein. Über ihr Codewort kann sie eine Session jederzeit abbrechen, ohne dass daraus Konsequenzen folgen würden. Sie lernt wieder einen Freund kennen und nimmt die Erfahrungen aus der Szene mit in ihre Beziehung. Sie behält ihre eigene Wohnung und trifft sich nur ab und zu mit ihrem Partner. Sie möchte gelegentlich auch mal allein schlafen. Auch er darf seine Freiheiten haben, nur will sie nichts davon wissen. Die Partnerschaft lebt davon, dass beide auch außerhalb der Beziehung etwas Neues erleben und dies dann wieder miteinander teilen können.
 

Edit und Heinz ‒ glücklich bis ans Lebensende

Wir nähern uns dem Ausgang unseres Labyrinths und sehen in der Ferne ein schon gealtertes Paar, Edit und Heinz, die zufrieden auf ihr gemeinsames Leben zurückblicken. Wie haben sie das gemacht?

In vielen klassischen Werken der Literatur erscheint am entscheidenden Punkt eine plötzliche Lösung in Form einer Fee oder göttlichen Erkenntnis. Wer oder was ist der Gott unserer Geschichte?

Im Märchen küsst die Prinzessin einen Frosch, der sich in einen Prinzen verwandelt. Wer will schließlich mit einer Kröte verheiratet sein? Der Zwerg mit der langen Nase, in den sich die Prinzessin verliebt, stellt sich am Ende ebenfalls als Königssohn heraus. Wer will schon mit einem langnasigen Zwerg sein Leben verbringen? Gleichnisse wie diese prägen von früher Kindheit an unser Verständnis von Liebe. Wenn uns etwas an einem Menschen nicht gefällt, dann muss es sich ändern. Ein Leben mit einem Zwerg oder einem Frosch scheint schier undenkbar.

Die Wahrheit ist: Liebe kann nur gelingen, wenn beide Partner akzeptieren, was möglich ist. Wer im richtigen Leben einem Mann begegnet, der schiefe Augen hat, dann wird er sie nicht begradigen können. Da können wir noch so viele Frösche küssen. Partnerschaft ist immer ein Kompromiss. Wenn ich davon mehr Nachteile als Vorteile habe, gehe ich diese Partnerschaft nicht ein. Nur machen wir daraus in der Regel keine Excel-Liste, sondern lassen unser Unterbewusstsein entscheiden.

In der Langzeitliebe gibt es keine hundert Prozent. Die schiefen Augen Ihres Gegenübers sind kein Fall für den Chirurgen, sondern ein Appell an Sie selbst, Ihre Erwartungen zu regulieren. Erkennen Sie, was realistisch mit dem anderen möglich ist. Stellen Sie sich einen Bildhauer vor, der einen Stein in eine Skulptur verwandeln wird. Er hat keine Möglichkeit, etwas hinzuzufügen, aber er kann nach Belieben etwas weghauen, bis eine perfekte Form entsteht. Sie müssen für die Liebe nicht anspruchslos werden und sich Ihrem Schicksal fügen, dass es den perfekten Partner wohl nicht geben wird. Erkennen Sie, dass er bereits vor Ihnen steht.

Wir haben unser Labyrinth betreten, ohne uns gleich am Anfang mit der Frage zu beschäftigen: Was ist eigentlich miteinander möglich? Aber genau diese Frage gehört an den Anfang, in die Mitte und das offene Ende einer Langzeitbeziehung. Sie muss als Sinnspruch im Schlafzimmer hängen und Sie durch jeden schweren Moment und jeden Streit begleiten.

Erkennen Sie den Wert Ihrer Beziehung

Edit und Heinz haben den Weg gemeinsam gefunden und den Wert ihrer Beziehung erkannt. Sie haben erkannt, dass sie nicht jede Weltreise antreten müssen und dass niemand einem anderen auf Dauer gleichermaßen ein Partner, ein Freund und ein leidenschaftlicher Liebhaber sein kann. Einige Wünsche werden teilweise erfüllt, andere gar nicht, was aber nicht den Umkehrschluss zulässt, dass die Beziehung unvollständig ist.

In einer Beziehung gibt es nur einmalig eine Schuld. Grundsätzlich resultieren die meisten Handlungen aus der Beziehung heraus. Ganz plakativ besteht der Wert der Beziehung darin, dass das Leben mit ihr schöner ist als das Leben ohne.

Unbedingte Voraussetzung für die Liebe ist der ganzheitliche Blick. Viele Paare, die sich auf dem Weg durch das Labyrinth verloren haben, hatten den Blick nur noch auf ihren Mangel gerichtet. Sie setzten die Scheuklappen auf und sahen allein die negativen Seiten der Partnerschaft. Vielleicht gibt es diesen einen Mangel, dass zwischen ihnen keine sexuelle Begierde mehr aufflammt. Aber wie viel Wert kann es auf der anderen Seite haben, wenn Sie mit Ihrem Partner zusammen lachen können und sich an der Supermarktkasse darüber freuen, dass Sie nach dem Bezahlvorgang mit Ihrem gemeinsamen Familiennamen verabschiedet werden?