Wahrheit und die Liebe

Ein komplexes Thema in einer Liebesbeziehung mit Bindung

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Wahrheit ist ein komplexes Thema in Partnerschaften. Der Begriff der Wahrheit wird dabei aber in ganz verschiedenen Zusammenhängen gebraucht und unterschiedlich gefasst. Wir versuchen uns in diesem Beitrag dem Thema anzunähern und die Frage zu beantworten: Wie wichtig ist Wahrheit in der Liebe?

Vielseitige Definitionen von Wahrheit

Auf der einen Seite bedeutet Wahrheit, ein wahres Ergebnis in der Sache wiederzugeben: Das Fußballspiel Deutschland gegen Spanien ist 0:6 ausgegangen. Da lässt sich nichts deuten. Wenn aber ein Geschehnis geschildert wird, kommt Wahrheit von Wahrnehmen. Die Wahrnehmung kann hierbei sehr unterschiedlich sein und dadurch entsteht auch eine andere Wahrheit. Eine Wahrheit kann auch entstehen, wenn Sie etwas oft genug hören. Auch Erinnerungen formen nochmals die Wahrnehmung. Wenn der Mensch etwas oft genug hört oder selbst wiederholt, dann glaubt er es. Das Thema Wahrheit ist in sich schon komplex.

Wahrheit hat in Beziehungen eine noch komplexere Thematik. Denn dort, wo intensive Gefühle existieren, möchte man den Erwartungen des Partners entsprechen und ist daher auch schneller bereit für eine Notlüge. Und zwar nicht nur dem Partner oder der Partnerin, sondern auch sich selbst gegenüber.

Wahrheit in der Liebe: Ein Beispiel aus meiner Paarberatung

Ich hatte ein Klient-paar in meiner Praxis, bei dem sich der Mann von der Frau getrennt hatte und beide nun eine Trennungsberatung in Anspruch nehmen wollten. Es gab gemeinsame Kinder und sie wollten einen Weg finden, trotz Trennung gut miteinander umzugehen. Während der Sitzungen wurde dabei aber eine ganz besondere Problematik offensichtlich. Der Mann hatte bemerkt, dass seine Frau plötzlich einen sehr engen Kontakt zu ihrem Kollegen hatte. Die beiden kommunizierten auch außerhalb der Bürozeiten, lachten viel und telefonierten bis in die späten Abendstunden. Der Mann fühlte sich bedroht und spürte Hilflosigkeit. Statt diese Verletzlichkeit anzunehmen und sie zu thematisieren, redete er sich ein, dass die Beziehung ohnehin nicht mehr gut funktionierte und beendete sie von seiner Seite. Er verließ, bevor er verlassen werden konnte, und stürzte sich kurz darauf in ein neues Abenteuer, um nicht die Folgen des Selbstbetrugs zu spüren.

Das ist ein klassischer Verrat der inneren Wahrheit. Aus Hilflosigkeit und Ohnmacht wird Selbstbetrug. Das Ganze würde im Übrigen auch funktionieren, wenn der Betroffene stattdessen laut und wütend und mit Tellern um sich schmeißen würde. Auch dadurch würde das innere Gefühl verborgen bleiben.

Das offene Gespräch fordert Menschen viel Wahrheit ab

Wie viel bleibt in einer Partnerschaft verborgen, weil bei BEIDEN der Mut zur Wahrheit fehlt. Wer möchte schon seinen Partner darauf hinweisen, dass er zu viele Kilos auf den Hüften hat und damit nicht mehr wirklich attraktiv erscheint. Oder, dass der beste Freund des Mannes sexuell anziehend wirkt und man sich schon mal nach ein bisschen Abwechslung im Bett sehnt.

Durch diese fehlende Offenheit belügen wir uns und andere. Wir sprechen vielleicht mit dem besten Freund oder der besten Freundin über unser Problem, nicht jedoch mit dem Partner, den es eigentlich betrifft. Würden wir die Wahrheit aussprechen, könnte sich etwas ändern. Stattdessen aber wächst der Frust.

Die Wahrheit als Schlüssel für eine erfüllende und nährende Partnerschaft

Wahrheit uns und dem anderen gegenüber ist der Schlüssel für Wachstum. Wenn wir etwas verändern wollen, was uns nicht gefällt, müssen wir es aussprechen. Falsche Rücksichtnahme dagegen bremst uns und unsere Beziehungen.

Lügen schon in der Anfangsphase der Partnerschaft vermeiden

Oft beginnt die Lüge schon in den Anfangsphasen einer Beziehung, wenn wir dem anderen vorspielen, mehr zu können und größer zu sein als wir sind, um uns interessant zu machen. Aber wie solide kann eine Beziehung aufgebaut sein, wenn sie auf Lügen und Verschleierungen basiert?
Lügen beginnen schon dort, wo man selbst zurücksteckt, um dem anderen zu gefallen. Wer zum Beispiel behauptet, ebenfalls keinen Kinderwunsch zu haben, obwohl ein Leben ohne Nachwuchs nicht vorstellbar ist, der greift unnötig auf eine Lüge zurück, statt von Anfang an ehrlich zu sich und dem Partner zu sein. Zwischen einem Kind und keinem Kind gibt es keinen Kompromiss. Da macht es auch keinen Sinn, die Wahrheit ein bisschen hinauszuzögern.

Wahrheit kommt von Wahrnehmung. Jeder Mensch hat eine andere Wahrnehmung und kann somit auch eine andere Wahrheit haben. Und was die Wahrheit so ganz verändert sind Erinnerungen. Somit kann jeder Mensch, wenn später darüber erzählt wird, eine ganz andere Geschichte erzählen.