Erwartungen in der Paarbeziehungen

Aus Erwartungen darf kein Vorwurf entstehen

Man hört oft von Singles den Satz: „Ich suche einen Partner, aber habe keine besonderen Erwartungen.“ Da drängt sich die Frage auf, warum sie denn überhaupt suchen. Kann man einen Partner suchen, ohne irgendwelche Erwartungen an ihn zu stellen?

Dies ist m.E. der gleiche Unsinn wie die „bedingungslose Liebe“. Wo gibt es das, dass ein Mensch keine Erwartungen an die Beziehung und an die Liebe hat? Eine bedingungslose Liebe ist die höchste Erwartung und höchste Bedingung, die man stellen kann.

Wer sich auf eine Beziehung einlässt, der erwartet etwas von ihr. Zum Beispiel, dass man nicht mehr allein ist, ab sofort befriedigenden Sex hat oder sich geborgen fühlt. Ich vermute, dass diese Erwartungen oftmals ganz unbewusst in den Menschen schlummern. Es ist keine bewusste Lüge oder Täuschung, wenn sie behaupten, keine Erwartungen zu haben. Selbst wer tief im Inneren davon überzeugt sein will, eine neue Beziehung vollkommen er wartungsfrei einzugehen und abzuwarten, was sich ergibt, stellt sich ja schon selbst vor die größte Herausforderung: Keine Erwartungen zu haben.

Die unbewussten Erwartungen werden dann offensichtlich, wenn die ersten Enttäuschungen kommen. Aussagen wie „du gehst so selten mit mir aus“ oder „ich hätte nie gedacht, dass du dir Kinder wünschst“ offenbaren die Erwartungen, die in uns geschlummert haben.

Die Tatsache, dass Erwartungen oft unbewusst vorhanden sind, macht deutlich, dass daraus kein Vorwurf entstehen darf. Niemand kann seine unbewussten Erwartungen steuern. Wenn ich von einem Menschen stillschweigend erwarte, dass er sich genau wie ich Kinder wünscht, ist das eine Tatsache. Ich darf aber umgekehrt auch niemandem den Vorwurf machen, dass er sich eben keine Kinder wünscht.

Eine Partnerschaft kann dann gelingen, wenn wir sie nicht mit Erwartungen überfrachten, denn je mehr Erwartungen da sind, desto größer sind die Enttäuschungen. Während wir uns von unbewussten Erwartungen nicht frei machen können, können wir Erwartungen steuern wie „Wir werden bis zum letzten Atemzug eine erfüllte Sexualität haben“ oder „Der andere darf niemals fremdgehen“. Diese Erwartungen können wir steuern, und zwar mit einer gehörigen Portion Vernunft.

Der Heidelberger Paartherapeut Arnold Retzer propagiert den hohen Anteil der Vernunft in einer funktionierenden Partnerschaft. Damit eine Beziehung erfüllt und glücklich ist, sollten sich beide Seiten von nicht erfüllbaren Illusionen freimachen und eine resignative Reife entwickeln. Das bedeutet nichts anderes, als den anderen anzunehmen, wie er ist, und in einer Beziehung das anzuerkennen, was eben in dieser Beziehung diesen beiden Menschen möglich ist.

Wo hohe Erwartungen an eine Partnerschaft gestellt werden, hat das große Glück meistens keinen Platz mehr. Erkennen Sie stattdessen, dass das große Glück, das viele suchen, sich oft in dem alltäglichen Glück versteckt. Seien Sie achtsam und horchen Sie in sich hinein, was Sie gerade glücklich macht.

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