Fremdgehen und Bindungsangst

Erscheinungsbilder und Varianten

Fremdgehen und Bindungsangst sind zwei Phänomene, die oft miteinander in Verbindung gebracht werden. Doch was steckt wirklich dahinter? Warum gehen manche Menschen fremd, obwohl sie in einer glücklichen Beziehung sind? Und wie kann man Bindungsangst überwinden, um eine erfüllende Partnerschaft zu führen? In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die psychologischen Hintergründe von Fremdgehen und Bindungsangst, sowie Tipps und Strategien, wie Sie damit umgehen können.

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Das Thema „Fremdgehen“ wird immer wieder zum Drehpunkt der Paarberatung

Geht einer der Partner fremd, liegen unterschiedlichste Ursachen zugrunde, die jedoch viel mehr in der Tiefe der Vergangenheit gesucht werden sollten, als in vordergründigen Auslösern des Hier und jetzt. Gegenseitige Vernachlässigung, ständiger Streit, oder eingeschlafene Sexualität, sind zwar belastend – aber meist nicht verantwortlich für einen „Fremdgang“.

In diesem Zusammenhang hat das Wort „Bindungsangst“ eine wichtige Bedeutung.
Erschrecken Sie bitte nicht – Bindungsangst ist keine Krankheit, sondern ein Verhalten, das aus Erfahrungen und Prägungen der Kindheit resultiert. Interessante Details hierzu erfahren Sie unter »Fremdgehen und Bindungsangst – Ursachen«.

Die gute Nachricht – jedes erlernte und vorerst noch so unbewusste Verhalten kann durch neue Erkenntnisse und erlebte Erfahrungen überschrieben werden!

Wie erkenne ich die Bindungsangst?

Die größtenteils unbewusste Bindungsangst, mit ihren Unterängsten, der Verlustangst und der Angst vor emotionaler Vereinnahmung, zeigt sich mit unterschiedlichen Gesichtern und ist ein häufig auftretendes Problem in Beziehungen.

Nachfolgend finden Sie daher Varianten, wie eine bestehende Bindungsangst sich äußern kann.

1. Passives Nähe-Meide-Verhalten

Rückzug und Verstecken

Wenn Ihr Partner unbewusst und passiv Nähe meiden möchte, werden Sie dies an seinem Rückzug erkennen. Er scheint desinteressiert, verliert sich scheinbar im Beruf und „mauert“, sobald es um Emotionen, Intimität und gefühlvollen Austausch geht.

Helfer-Syndrom

Der Partner kümmert sich zwar aufopfernd und hilfsbereit um Andere, schafft jedoch hierüber automatisch eine Distanz zu eigenen Gefühlen, mit denen er sich ja aufgrund seines Aufwands für andere Menschen nicht mehr auseinandersetzen kann. Somit verwehrt er auch seinem Gegenüber den Zugang zu Emotionen und somit Aufbau von Nähe, und schafft Abstand.
Weiterhin nutzt er den entstehenden Dank zwar als Bestätigung und auch Wunsch, geliebt zu werden, ebenso jedoch als Meide-Verhalten für Nähe – ein helfender Mensch erscheint oft stark, groß und unerreichbar.

2. Aktives Nähe-Meide-Verhalten

Kritik und Streit
Durch ständige Kritik und sich wiederholende Streitsituationen baut der Partner automatisch eine Distanz zu seinem Gegenüber auf, Nähe kann auf diese Weise nicht entstehen.

Eifersucht

Auch Eifersucht ist ein Weg, durch Streit, Misstrauen und der Unterstellung, der Partner würde Unerwünschtes tun, Distanz zu schaffen.
Gleichermaßen gehört Eifersucht zu der dem Thema Bindungsangst untergeordneten Verlustangst (intern zu entsprechenden Texten verlinken), diesbezüglich finden Sie separate Informationen und Details.

Fremdgehen

Die tief sitzende Angst vor Nähe geht Hand in Hand mit der ausgeprägten Angst, vom Partner verlassen zu werden, also Verlustangst. „Ich halte dich durch ein Vergehen auf Abstand, bevor du mich eventuell durch ein ebensolches Vergehen verletzen kannst“, ist hier die innere Schutzmaßnahme und der verzweifelte Versuch, die Kontrolle und Oberhand zu behalten.
Gleichzeitig wird über das Fremdgehen nach Bestätigung gesucht – die jedoch wiederum unverbindlich bleibt, obwohl der Wunsch nach Geborgenheit und Liebe besteht.
Somit kann das Fremdgehen als „Ausbrechen und den sichern Platz bewahren, bevor es ernst wird“ verstanden werden.
Das Erscheinungsbild des Fremdgehens ist vielfältig – vom einmaligen Seitensprung, über unverbindliche und wechselnde Sexbekanntschaften, bis zur Affäre, ist alles möglich.

Flucht – die Beziehung beenden

Der Mensch ist allgemein ein Fluchttier. Wo es schwierig oder eng erscheint, wird das Weite gesucht - und auch gefunden.
Ein Auslöser für Bindungsangst, somit Angst vor Nähe, und hieraus entstehenden Fluchtimpulsen, kann die Idee des Partners sein, fortan unter einem Dach zu leben.
Einige Menschen verfallen bei diesem Gedanken in eine solche Panik, dass sie die Beziehung abrupt beenden. Andere wiederum suchen so lange nach Ausreden, die vorgeschlagene Lebensweise zu umschiffen, bis auch dem Partner die Lust an diesem Vorhaben vergeht.
Nicht selten stürzen sich die soeben „Geflüchteten“ gleich in die nächste Beziehung, in der bekanntlich noch keine „Nähe-Bedrohung“ herrscht und die vermeintlich unverfängliche Anfangseuphorie noch vorhanden ist.
Menschen, die Beziehungen aus Angst vor Nähe immer wieder beenden, haben es demnach nicht leicht und müssen aufgrund des Nähe-Distanz-Problems damit rechnen, die meiste Zeit ihres Lebens als Single zu verbringen.

Fremdgehen – die Beziehung beenden

Ein von Bindungsangst getriebener „Fremdgänger“ schlüpft in die Rolle des Opfers.
„Ich habe meinen Partner nun so oft betrogen, dass ich ihm diese Gefahr nicht noch einmal zumuten kann. Dann gehe ich lieber.“
Hier gilt das Sprichwort: „Egal, wohin du gehst, dich selbst nimmst du immer mit.“

Dieses Verhalten kann zu einem höchst exzessiven Zustand führen.

In meiner Praxis für Paarberatung begegne ich manchmal Paaren, die in einem Zeitraum von 2- 3 Jahren mehr als 20 Mal ihre Beziehung beendet, sich aber auch 20 Mal wieder versöhnt haben.
Hier können beide Partner offensichtlich nicht mit, aber auch nicht ohneeinander. Interessant ist dann oft die Erkenntnis, in der Zeit als verbundenes Paar eher unbefriedigenden, als getrenntes Paar jedoch heißen und erfüllenden Sex erlebt zu haben.
Fazit: unmittelbar nach der Trennung lassen die bindungsängstlichen Gefühle nach. Ängste vor Einengung und Ablehnung weichen schließlich der starken Sehnsucht nach dem verlorenen Partner.
Häufig können sich die Partner ihre ablehnenden Gefühle nicht mehr erklären und glauben, einen Fehler gemacht zu haben. In solchen Fällen nehmen sie wieder Kontakt auf, um es mit dem Ex-Partner erneut zu probieren. Auch dieser leidet unter dem Verlust, sodass es zu einem Neubeginn der Beziehung kommt.
Das Ganze geschieht nicht selten über mehrere Wiederholungsrunden, die sich jedoch im Ablauf sehr ähneln und meist früher oder später ein unglückliches Ende nehmen.

Leugnen

Eine weitere Form der geradezu krampfhaft angestrebten Distanz besteht in einer besonderen Form des Betrugs seiner selbst und am Partner – die real vorhandene Beziehung wird als solche nicht definiert, der Partner wird vor Freunden, Arbeitskollegen oder Verwandten geradezu verleugnet.

Verstecken hinter Regeln und Grenzen

Menschen, die aktiv Nähe vermeiden möchten, sind wahre Meister darin, Barrieren zu errichten und diesbezüglich nie um eine Erklärung verlegen.
Sie setzen starre und enge Grenzen, innerhalb derer sich der Partner in der Beziehung bewegen darf.
In der Regel ist der Rahmen vollkommen unflexibel und deutlich strammer abgesteckt, als die jeweiligen Partner es wünschen. Diese haben häufig das Gefühl, von bestimmten Bereichen oder Lebensplänen, von Freundes- und Familienkreis, Gewohnheiten und Planungen ihres Partners völlig ausgeschlossen zu werden.

Hierbei geht es eindeutig um ein Kontrollbedürfnis, mit dem sich die den von Bindungsangst Betroffenen eine stärkere Stellung sichern wollen.
Diese vermeintlich „überlegene“ Position eröffnet aktiv Bindungsängstlichen die Möglichkeit, die Zügel über Nähe und Distanz in der Partnerschaft in der Hand zu halten.
Dies betrifft vornehmlich zeitliche Faktoren. In der Regel wollen sie weniger Zeit mit ihrem Partner verbringen, als umgekehrt und verstecken sich hinter familiären Terminen in der Verwandtschaft, denen sie angeblich nicht ausweichen können, hinter beruflichen Terminverpflichtungen, oder auch zugesagten Hilfestellungen im Freundeskreis. So fühlen Sie sich stets auf der sicheren Seite und verkaufen all diese Versteckmöglichkeiten als zugkräftige Argumente, die schwer zu entschärfen sind.
Häufig sehen die bindungsängstlichen Partner auch die gesamte Beziehung als zeitlich begrenzt an. Bei der Vorstellung, auf immer und ewig mit einem Partner zusammenzubleiben, schnürt es ihnen die Kehle zu.

Bindungsangst ist demnach ein weites Feld und geht gerne mit Fluchtvarianten, Fremdgehen und Distanz bildenden Verhaltensweisen einher.
Auch hier gilt jedoch: „Angst ist ein schlechter Ratgeber“ – und grundsätzlich ein Beziehungskiller.

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