Treue & Untreue in der Partnerschaft

Exklusivität ist kein Grundrecht

Zurück zur:  Startseite "Themen"  | Inhaltsverzeichnis "Themen zu mir als Einzelperson"

Treue gilt in unserer Gesellschaft als Stützpfeiler aller Beziehungen. Man geht allgemein davon aus, dass eine Beziehung nur dann funktionieren kann, wenn die Partner auch treu sind. Und überhaupt ist nur ein treuer Mensch auch ein guter Mensch. Hier lohnt es sich, genauer hinzusehen. Die Bedeutung der Treue in der Partnerschaft

Kann man nur einen Menschen lieben?

Wenn Sie einen Menschen wirklich und von ganzem Herzen lieben – ist es dann wirklich unmöglich, einen weiteren Menschen auf diese Weise zu lieben? Sie haben auch nicht nur ein einziges Buch im Regal oder ein Möbelstück in Ihrem Wohnzimmer. Das Leben besteht aus Diversität. Wir haben mehrere Freunde, im Garten blühen viele Blumen, und wir können uns mit mehreren Arbeitskollegen am Abend zur After-Work-Party treffen. Aber lieben dürfen wir nur einen Menschen …? So zumindest suggeriert es uns die Gesellschaft. Wenn jemand den Mut hat, das Thema anzusprechen und sich beispielsweise als „polyamourös“ zu outen, trifft dies auf Widerstand und Unverständnis. Die Liebe zu mehreren Menschen wird als etwas Unnatürliches wahrgenommen.

Treue ist nicht der Sinn einer Partnerschaft

Der Sinn einer Partnerschaft besteht nicht darin, sich aufeinander zu fixieren, sondern gemeinsam Liebe zu erleben. Liebe und Beziehungen sind keine Selbstverständlichkeit, keine Verpflichtung und auch keine Forderung. Sie sind ein Geschenk, das vielleicht nur dann wirklich Freude bringen kann, wenn wir uns von traditionellen Denkmustern lösen.

Wenn Sie im Frühjahr nach draußen gehen und sich an den ersten Blumen erfreuen, dann erwarten Sie nicht, dass die Blumen sich auch an Ihnen erfreuen. Genauso ist es möglich, sich auch an der eigenen Liebe zu einem Menschen zu erfreuen, ohne daran konkrete Erwartungen zu knüpfen. Auch nicht die Erwartung, dass der andere treu sein muss.

Geschichten von der einzigen, wahren Liebe

Wir hören schon in unserer Kindheit Geschichten von der einzigen, großen, wahren Liebe. Diese Idee, man könne von den 7 Milliarden Menschen auf der Erde nur den einen lieben, tragen wir mit in unser Erwachsenenleben. Wenn wir diesen Menschen glauben gefunden zu haben, dann erwarten wir selbstverständlich, dass er uns genauso liebt und auch in uns das wahre und einzige Lebensglück sieht. Aus dieser Erwartungshaltung ergibt sich ganz selbstverständlich auch, dass man sich gegenseitig treu ist.

Mehrere Menschen zu lieben, ist ein Ausdruck von Lebendigkeit

Wenn sich in einer Partnerschaft der Blick auf einen anderen Menschen richtet und Gefühle entstehen, dann ist dies einfach der Ausdruck von Lebendigkeit und kein Moralverlust. Liebe ist kein Geschäft, bei dem es immer eine Gegenleistung gibt. Ebenso wenig kann es eine Garantie geben für die ewige und treue Liebe. Nehmen Sie das Hochzeitsversprechen am Altar, sich gegenseitig immer zu lieben und sich immer treu zu sein, also nicht allzu ernst. Liebe kann kommen, und genauso gut kann sie wieder gehen. Liebe kann nur in Freiheit wachsen. Sobald die Freiheit kleiner wird, beginnt auch die Liebe zu schrumpfen.

Treue ist Definitionssache in der Partnerschaft

Ob neben einer Lebenspartnerschaft noch Platz für weitere sexuelle Begegnungen ist, hängt von der jeweiligen Situation und von der Vereinbarung eines jeden Paares ab. Es macht jedoch einen großen Unterschied, ob sexuelle Ausschließlichkeit in freier Wahl vereinbart wird, zum Beispiel, weil die Partner (oder auch nur einer) sexuelle Freiheit als zu brisant und schmerzhaft erleben oder damit ihre Nähe unterstützen wollen. Oder ob sie mit dem Etikett „Treue“ versehen als selbstverständlich und als Beweis der Liebe gilt. Wann immer wir in Liebesdingen zu wissen glauben, was richtig ist und was falsch, stehen wir dem einfachen Sein mit dem, was ist, im Wege und damit auch der Liebe selbst.

Treue bedeutet nicht sexuelle Ausschließlichkeit

Treue hat, obwohl sie üblicherweise so definiert wird, nichts mit sexueller Ausschließlichkeit zu tun und bedeutet auch nicht, dass man nur einen einzigen Menschen lieben darf. Treue ist verwandt mit Vertrauen, und Vertrauen entsteht aus der beiderseitigen Bereitschaft, zu dem zu stehen, was versprochen und vereinbart wurde. Wenn Treue so verstanden wird, dass Lust und Liebe nur einem Partner entgegengebracht werden dürfen, ist Untreue vorprogrammiert, es sei denn, man schottet sich als Paar völlig von der Außenwelt ab.

Liebe & Treue: Warum Offenheit so wichtig ist

Das heißt nicht, dass ich alle Lust und Liebe ausleben und wahllos mit jedem ins Bett springen muss. Aber es heißt, dass ich meine Impulse wahrnehmen kann, dass ich mir selbst eingestehen kann, dass es erotische Anziehung und Liebe gibt, überall auf der Welt. Wenn das nicht sein darf, machen sich Heuchelei und Heimlichkeiten breit, die nur allzu oft, um das Thema Treue herum anzutreffen sind. Dem amerikanischen Präsidenten Bill Clinton haben wir die Erkenntnis zu verdanken, dass diese Dynamik auch nicht vor dem vermeintlich mächtigsten Mann der Welt Halt macht. Wenn wir Treue nicht mehr selbstverständlich als sexuelle Ausschließlichkeit verstehen, sondern vielmehr als Ausdruck von Vertrauen, Offenheit und Verbindlichkeit, dann ist schon viel gewonnen.

  Das könnten Sie auch interessieren