Wenn das Leben neue Wege fordert und die Liebe sich wandeln muss
»Weißt du, was man später am meisten bereut – es nicht versucht zu haben.«
(Zitat aus dem Film »Die Farbe des Horizonts«)
Ernst ist mit Monika verheiratet. Er ist über sechzig Jahre alt und spürt an sich eine deutliche Aktivitätsminderung. Für Monika ist dies eine schwer zu akzeptierende Veränderung, denn die gemeinsamen, teilweise sehr sportlichen Unternehmungen waren eine wichtige Bindungskraft zwischen ihnen. In jüngeren Jahren gab es die Kinder, dann das Haus und das Grundstück und eben den Sport. Jetzt haben die Kinder eigene Familien gegründet und das Haus verlassen. Die Unterhaltung des Hauses und des Grundstücks wird zunehmend zur Last. Was bleibt nach diesem gemeinsamen Leben, wenn alles Verbindende fort ist? Reichen gemeinsame Fernsehabende oder Bustouren aus, um noch eine Art Familienleben zu führen? Und ist der Wille dazu überhaupt noch vorhanden? Eigentlich sind sowohl Monika als auch Ernst soliden Vorstellungen einer lebenslangen Ehegemeinschaft verhaftet. Sie wollen daran festhalten – aber stehen sich dabei selbst im Weg, denn sie sind kaum in der Lage, einander über ihr Befinden und ihre Wünsche auszutauschen. Und nun hat Ernst seit einigen Jahren eine Nebenbeziehung zu Isolde, die eher auf den intellektuellen Austausch ausgerichtet ist. Das Ungewohnte lässt schnell Zweifel innerhalb der Nebenbeziehung laut werden. Ernst führt einen inneren Dialog mit sich:
„Was ich, als Isolde in mein Leben trat, schon ahnte, wird mir heute fast zur Gewissheit:
Mit diesem Tag kamen Dinge ans Licht, die sich in mir schon länger vorbereitet und entwickelt hatten. Die ursprüngliche Verliebtheit in meine Frau mündete damals harmonisch in ein natürliches und ausgefülltes Familienleben. Etwas anderes konnte ich mir nie vorstellen. Keine Zweifel und Fragen, die Phasen des Aufs und ab, galten als endlich, und es galt, sie zu ertragen. Als ich mich in Isolde verliebte, wurde meine Ehefrau Monika unvermittelt herausgerissen aus einer sehr heilen Welt. Ihre massive Enttäuschung wurde nur noch übertroffen durch die bis in den körperlichen Bereich gehenden Schmerzen. Ihre Verlustängste haben sich bis heute leider kaum abgebaut.“
Die Perspektive von Isolde ist ähnlich problematisch. Vor der Nebenbeziehung befand auch sie sich in einer (zumindest scheinbar) heilen Welt. Sie ließ sich auf das Abenteuer mit einem neuen Mann ein und wurde überwältigt von der Kraft dieser Liebe. Kleine Risse entstanden dadurch, dass Isolde den Wunsch hatte, das Neue zu festigen, während Ernst Anstalten machte, zum Bewährten zurückzukehren.
Ernst befand sich in einem Zustand der Verwirrung. Zwei Frauen, die plötzlich um seine Gunst buhlten. Die neue Beziehung zwang ihn dazu, das Bewährte zu überdenken und sich selbst und seine Ideale zu ordnen. Wie ist das Verhältnis zwischen wollen und müssen? Er fühlte sich mit dem Gewohnten und bislang gelebten verbunden wie durch ein starkes Gummiband. Die wichtigsten Lebensereignisse, die Geburt der Kinder, das Haus, die Ehe, fanden in dieser emotionalen Heimat statt. Das Neue ist ungewiss und ein Wagnis.
Die Lösung: Sie brechen teilweise mit ihren betonierten Vorstellungen und verwandeln ihre bisherige Beziehung in eine offene, kritische und hinterfragte Beziehung. In der Sexualität sind Ernst und Monika weitaus offener, spontaner und freier geworden. Sie lassen Nebenbeziehungen zu, wenn diese zunächst kritisch hinterfragt und auf den Prüfstand gestellt werden. Die Nebenbeziehung hatte für das Ehepaar einen hohen Gewinn. Sie haben zu einer soliden Altersbeziehung gefunden. Es bleiben Narben. So sind bis heute keine wirklich offenen Gespräche über die Zeit der doppelten Beziehung möglich.
Titel: Die arrangierte Beziehung – Zwischen Treue und Verlangen – Die Evolution einer Liebe.
Untertitel: „Wenn das Leben neue Wege fordert und die Liebe sich wandeln muss.“